soziale Marktwirtschaft
Nur 2 km von meinem Schreibtisch entfernt befindet sich diese Fabrik, in der noch vor kurzem bis zu 3000 Mitarbeiter Handys zusammengebaut haben. Inzwischen wurde auch diese Produktion nach China verlagert.

 

Der Humbug mit der sozialen Marktwirtschaft...

von Manfred Julius Müller

 

Durch die Weltwirtschaftskrise 2008 rückt die soziale Marktwirtschaft wieder verstärkt in die Diskussion. Nach Jahrzehnten der Deregulierung und neoliberaler Experimente erinnert man sich wieder an alte Tugenden.

Auch ich habe mich, allerdings lange Zeit vor Ausbruch der Krise, für eine Renaissance der Marktwirtschaft stark gemacht (zuletzt in dem Buch "DAS KAPITAL und die Globalisierung").
Allerdings habe ich es nie für nötig befunden, das Soziale besonders hervorzuheben. Was ist denn eine "soziale" Marktwirtschaft überhaupt? Ist sie besser als die natürliche Marktwirtschaft?

 

Zunächst einmal: Globalisierung und Marktwirtschaft kann es nicht geben!
Der Begriff Marktwirtschaft wird leider allzusehr strapaziert und unbedacht verwendet. Denn man begreift nicht (man will es nicht wahrhaben), dass Globalisierung und Marktwirtschaft sich ausschließen.
Der weitgehende Verzicht auf Importzölle (also die Globalisierung) bedeuten nun einmal in wirtschaftlicher Hinsicht Chaos und Anarchie.
Eine ungerechtere Plattform als die zollfreie Weltwirtschaft kann es kaum geben!

Wie will man von Marktwirtschaft reden, wenn Lohnkosten von 50 Cent und 30 Euro pro Stunde unvermindert aufeinanderprallen, wenn einige Staaten Konzernen Steuerfreiheit garantieren, während andere zum Erhalt ihres Sozialwesens hohe Ertragssteuern verlangen müssen?

Auf dem globalen Spielfeld der Ungleichheiten herrschen alle möglichen Gesetze, aber gewiss nicht die der Gerechtigkeit.
Es gewinnen bzw. überleben in diesem Dschungel nicht die besseren, humaneren oder leistungsfähigeren Unternehmen und Staaten, sondern vielmehr die brutaleren oder trickreicheren.
Wo es aber keine Gerechtigkeit gibt, kann auch eine Marktwirtschaft nicht gedeihen (eine "soziale" Marktwirtschaft schon gar nicht).

 

Ist eine soziale Marktwirtschaft besser als eine natürliche Marktwirtschaft?
Das Attribut "sozial" in Verbindung zur Marktwirtschaft halte ich für irreführend und unpassend. Es gibt nun einmal keine unsoziale Marktwirtschaft (der uns bekannte unsoziale globale Kapitalismus hat mit einer Marktwirtschaft nichts mehr gemein).

Die natürliche Marktwirtschaft, dessen Grundvoraussetzung ein intakter Binnenmarkt wäre, ist automatisch sozialer als alles, was durch den Staat umverteilt werden könnte.

Eine Gesellschaft, in der Hartz-IV-Familien dank staatlicher Vollkasko-Absicherung häufig finanziell besser dastehen als Familien mit niederem oder durchschnittlichem Arbeitseinkommen (Näheres...), hat das Soziale längst ad absurdum geführt.
Ein überzogenes Umverteilungssystem ist alles andere als sozial, es ist ungerecht, weil es die pflichtbewussten Bürger bestraft und damit den Glauben an die Gerechtigkeit in der Gesellschaft unterhöhlt.

Was aber nun ist ein intakter Binnenmarkt? Die Antwort ist ganz einfach: Es ist ein Wirtschaftsraum, in dem gleiche Bedingungen für alle Marktteilnehmer (alle Wettbewerber) herrschen (also gleiche Löhne, Steuern, Umweltauflagen usw.).
Dieser Wirtschaftsraum darf seine Kostenstrukturen logischerweise von außen nicht unterlaufen lassen, er braucht also wirksame Zollgrenzen, die massive ausländische Dumpingattacken unterbinden.

In den Perioden der großen Wohlstandsfortschritte hatte Deutschland derartige Zollgrenzen (ohne dass dem Land egoistischer Protektionismus vorgeworfen wurde).
Der intakte Binnenmarkt muss sich natürlich nicht unbedingt auf einen einzelnen Staat beschränken, er könnte auch auf mehrere Staaten, die EU oder gar die ganze Welt ausgedehnt werden.
Aber Voraussetzung für einen intakten Binnenmarkt sind und bleiben, wie bereits erwähnt, faire Wettbewerbsbedingungen (gleiche Steuern, Vorschriften, Tariflöhne usw.).

 

Eine Marktwirtschaft ist von sich aus sozial!
Eine echte Marktwirtschaft, die nur in einem intakten Binnenmarkt existieren kann, ist vom Prinzip her hochgradig sozial, weil sie für einen gesunden Geldkreislauf sorgt.
Würden in einem intakten Binnenmarkt die Löhne zu gering steigen (weil die Unternehmer sich unbotmäßig bereichern wollen), kommt es zwangsläufig zu einem Überangebot an Waren, wodurch die Preise sinken.
Umgekehrt, wenn also die Gewerkschaften zu hohe Lohnsteigerungen durchsetzen würden, käme es zur automatischen Verknappung des Warenangebots (weil die Bevölkerung vorübergehend über zu hohe Kaufkraft verfügt) - dadurch steigen verständlicherweise die Preise.

Ein intakter Binnenmarkt zwingt also zum ständigen Interessenausgleich von Arbeit und Kapital und führt deshalb auch (langfristig gesehen) zur Vollbeschäftigung und steten Wohlstandsmehrung.
Von einer solch gesunden Marktwirtschaft profitieren letztlich auch die sozial Schwachen, die Kinder, Rentner und weniger qualifizierten Arbeitnehmer.

Wer die Globalisierung aus ideologischen Gründen nicht bekämpfen möchte, sich also gegen wirksame Importzölle ausspricht, sollte das Wort "sozial" überhaupt nicht in den Mund nehmen dürfen. Schon gar nicht in Verbindung mit der Marktwirtschaft.

 

"Die Corona-Krise beweist einmal mehr, dass ich mit allen meinen schon vor Jahren und Jahrzehnten aufgestellten Thesen und Prophezeihungen richtig lag!" (Manfred Julius Müller)

 

 

 

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Impressum
© Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher).
Erstveröffentlichung 2006

 

 


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Anmerkung: Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.

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