Selbstbetrug oder die Unbelehrbarkeit der Politik?
Sind die Politiker Opfer ihrer eigenen Gehirnwäsche oder des Parteiprogramms?
Wie kann es
eigentlich sein, dass Politiker und Parteien dermaßen
belehrungsresistent sind? Warum halten sie noch an Programmen
fest, selbst wenn diese sich dem unbefangenen Beobachter im Laufe von
Jahrzehnten als verhängnisvoller Irrtum erweisen?
Als ehemaliges Mitglied einer großen Volkspartei habe ich
den Eindruck gewonnen, dass es selbst klugen Parlamentariern selten
gelingt, einmal eingeschlagene Wege in Frage zu stellen oder ein
wenig über den Tellerrand zu schauen. Viele Abgeordnete scheinen
so vernarrt ins eigene Parteiprogramm, dass man unwillkürlich an
überwunden geglaubte Hörigkeit erinnert wird ("Die Partei,
die Partei, die hat immer Recht!").
Sinkende
Löhne und andauernde Massenarbeitslosigkeit
Selbst in
zentralen Belangen wie der Lohnentwicklung scheinen parteitreue MdB
erfolgreich jedwede Realität ausblenden zu können. So
nehmen sie zum Beispiel selten wahr, dass die
inflationsbereinigten Nettolöhne in Deutschland seit 30
Jahren sinken. Diese erschreckende Tatsache passt einfach nicht
in das Konzept erfolgreicher Regierungs- oder Oppositionsarbeit -
also wird das Phänomen verdrängt oder geleugnet.
Die Medien machen es
diesen Verdrängungskünstlern einfach, weil sie dieses
heikle Thema gerne tabuisieren oder mit unlauteren Statistiken zu
widerlegen suchen (Näheres).
Die wenigen
Politiker, die die sinkende Lohnentwicklung offen eingestehen,
versuchen leider mit irreführenden Argumenten die bittere
Wahrheit schönzureden oder für ihre Parteipropaganda
auszunutzen (demographischer
Wandel, Kosten der Wiedervereinigung, ungenügende Umverteilung
usw.).
Wie aber kann ein intelligenter Volksvertreter richtige
Schicksalsentscheidungen treffen, wenn er nicht einmal die
grundlegenden Fakten anerkennt? Zu
diesen Fakten gehört auch die seit 40 Jahren anhaltende
Massenarbeitslosigkeit. Auch hier will man offenbar die
Realitäten ausblenden und faselt arrogant und zynisch vom
bereits herrschenden Fachkräftemangel.
Dabei weisen selbst die geschönten offiziellen Daten noch drei
Millionen Opfer aus und die verdeckte Arbeitslosigkeit hat
längst gigantische Dimensionen angenommen. Man berauscht sich an
minimalen Erfolgen, wobei man unterschlägt, wie die denn
überhaupt zustande gekommen sind (Währungsdumping,
gigantische Konjunkturprogramme, Billiggeldschwemme
usw.).
Falsche
Zahlen führen zu falschen Schlussfolgerungen!
So leben
wir leider in einem Teufelskreis: Die etablierten Parteien
verschieben die Realitäten und kommen anhand dieser falschen
Fundamentaldaten zu verhängnisvollen Schlussfolgerungen.
Was den Arbeitsmarkt
betrifft legen sie ihr Hauptaugenmerk auf die Bekämpfung des
vermeintlichen Facharbeitermangels und empfehlen daher kürzere
Ausbildungszeiten, längere Lebensarbeitszeiten (Rente mit 67)
und vor alllem eine stärkere Anwerbung ausländischer
Fachkräfte. Zumal sie davon ausgehen, dass der
Arbeitskräftemangel durch die demographische Entwicklung noch
rasant zunehmen wird.
Dabei blenden sie aber das Wichtigste aus: Nämlich dass es in
Deutschland bereits vor Corona an die 10 Millionen
Arbeitsplatzsuchende gab (wenn man auf Bilanzkosmetik verzichtet) und
die steigende Produktivität ebenfalls die "Vergreisung"
unserer Gesellschaft mehr als ausgleicht. Der demographische Effekt
(Rückgang der Geburtenrate und Anstieg der Lebenserwartung)
vollzieht sich nämlich recht kontinuierlich bereits seit
über 100 Jahren. Es handelt sich hier also gar nicht um eine
neues Phänomen.
Bereits Anfang der 1990er Jahre haben Experten uns versichert, die
demographische Entwicklung würde in Deutschland
spätestens bis zum Jahre 2010 zur Vollbeschäftigung
führen. Wieder einmal haben sich die Experten total
geirrt.
Die
heißen Eisen mag man nicht anpacken!
Keine im
derzeitigen Bundestag (2016) vertretene Partei mag das wirkliche
Grundsatzproblem ansprechen! Man kann nicht eingestehen, dass der
Niedergang Deutschlands (und der westlichen Welt) unweigerlich mit
dem globalen
Lohndumping
verbunden ist! Die
Löhne in Deutschland aber können nicht wachsen, die
Vollbeschäftigung kann nicht erreicht werden, solange deutsche
Werktätige im knallharten Wettbewerb stehen mit
Billiglöhnern aus Polen, Rumänien, Indien, Bangladesch oder
China. Es gibt nun einmal keine Wunder, der Deutsche ist kein
Übermensch und kann nicht in gleicher Zeit dasselbe schaffen wie
zehn Billiglöhner in Fernost.
Der
globale Wettbewerb muss also ausgeschaltet werden!
Denn nur
das könnte dauerhaft die Probleme des Westens lösen. Aber
die Politiker scheuen sich vor der Wahrheit, vor allem weil eine
übermächtige, spendenfreudige Globalisierungslobby eine
Änderung des famosen Ausbeutungsprinzips nicht wünscht. Und
so wird die Bevölkerung munter weiter verdummt und mit
Scheinerfolgen beruhigt. Nicht der innereuropäische und globale
Dumpingwettbewerb sind also Schuld, sondern höchstens die
demographische Entwicklung, mangelnde
Umverteilung,
die bösen Banken usw.
Wie man den globalen (und innereuropäischen) Dumpingwettbewerb beendet, habe ich bereits an anderer Stelle erläutert.
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© Manfred Julius Müller, Flensburg, 2012
Impressum
Manfred Julius Müller analysiert und kritisiert seit 40 Jahren weltwirtschaftliche Abläufe. Er ist Autor verschiedener Bücher zu den Themenkomplexen Globalisierung, Kapitalismus und Politik.
Anmerkung:
Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im
Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen
Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und
Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.
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von Manfred J. Müller
Man
kann nicht ständig das, was der normale Menschenverstand und die
Mehrheit der Bevölkerung für gut und richtig befinden, als
rechten Populismus abtun. Täte man dies, wäre nur noch eine
gegen das Volk gerichtete Politik legitim. Das wäre jedoch eine
Perversion der Demokratie!