Mindestlohn Pro und Contra
Die Heuchelei um den Mindestlohn!
Das Pro und Contra ohne ideologische Scheuklappen!
Warum überhaupt einen Mindestlohn?
In
Deutschland sinken
seit
1980
die
realen
(preisbereinigten) Nettolöhne.
Ganz besonders vom Absturz betroffen sind die unteren Lohngruppen.
Dabei wird es gerne herablassend so hingestellt, als handele es sich
dabei nur um minderwertige Tätigkeiten von ungelernten
Hilfskräften.
Ich halte diese Einschätzung für arrogant und
unverschämt. Wie kann man die Opfer der deutschen
Globalisierungspolitik derart verhöhnen und diskriminieren? Aber
wie sagt man doch so schön: Wer den Schaden hat, braucht
für den Spott nicht zu sorgen.
Die Politik hat nun immerhin schon eingesehen (Glückwunsch!), dass der Niedriglohnbereich sich immer weiter ausbreitet und dass dort zunehmend unhaltbare und entwürdigende Zustände herrschen. Sie fragt sich, wie der von ihr durch den Zollabbau entfesselte Raubtierkapitalismus wieder ein klein wenig gebändigt werden kann und ist dabei auf die Idee eines Mindestlohnes gekommen. Man ist sich aber uneins, ob eine solche Maßnahme wirklich nützlich wäre.
Die Kernfrage: Sorgt der Mindestlohn für einen Abbau von Arbeitsplätzen?
Die
Sorgen sind nicht unberechtigt: In einem globalisierten Markt
konkurrieren prinzipiell die heimischen Löhne mit den
Billiglohnländern.
Dies kam anfänglich besonders zum Tragen in den
arbeitsintensiven Manufakturen, wie etwa die Herstellung von
Bekleidung und Schuhen, erfasste dann später auch im vollen
Umfang die industrielle Fließbandproduktion der
High-Tech-Produkte vom Handy bis zum Pkw.
Inzwischen zieht die mörderische Konkurrenzsituation weitere
Kreise &endash; auch Ingenieure und Wissenschaftler stehen heute im
Wettbewerb mit den osteuropäischen und asiatischen
Lohndumpingländern.
Insofern
ist die Gefahr der Arbeitsplatzvernichtung wegen zu hoher Löhne
ständig präsent. Wer einen Mindestlohn einführt muss
also damit rechnen, dass ein Teil der schlecht bezahlten Jobs dem
Kostenanstieg zum Opfer fallen.
In zahlreichen Fällen kann die Einführung von
Mindestlöhnen auch zur Vernichtung besser bezahlter Jobs
führen, wenn nämlich die veränderte Kostenstruktur im
unteren Bereich Firmen zur kompletten Schließung oder zum
Outsourcing (Produktionsverlagerung ins Ausland) zwingt.
Wie viele Arbeitsplätze insgesamt wegfallen, lässt sich im
voraus kaum beziffern. Auf jeden Fall ist die Höhe der
Schadensquote abhängig von der Höhe des
Mindestlohnes.
Lohndumping
im Lkw-Verkehr Deutsche
Spediteure können mit ihrer ausländischen
Konkurrenz kaum mithalten. Denn während ein deutscher
Brummifahrer monatlich 2000 bis 2500 Euro verdient, fahren
seine osteuropäischen Kollegen für die
Hälfte. So
ist es kein Wunder, dass deutsche Unternehmer oft das
Nachsehen haben und, falls sie ihre Firma noch retten
wollen, ihren Firmensitz nach Osteuropa
verlagern. Ein
Mindestlohn in Deutschland verschärft also in diesem
Falle die Notlage nur und beschleunigt den Exodus.
Notwendig wäre ein EU-weiter Mindestlohn, aber
dagegen sträuben sich viele EU-Staaten. Wäre
Deutschland souverän und nicht an EU-Gesetze gebunden,
könnte es auf vielerlei Art das menschenverachtende
Lohndumping unterbinden.
Die
Lkw-Transporte auf deutschen Straßen nehmen stetig zu
- obwohl die Kaufkraft der Deutschen seit 30 Jahren sinkt.
Mitverantwortlich für diesen paradoxen Trend ist der
absurde Preiswettbewerb im Transportgewerbe.
Aber selbst das ist infolge des globalen
Lohndumpingwettbewerbs noch zu viel, denn inzwischen werden
zunehmend Filipinos für diesen harten Job angeheuert -
für umgerechnet etwa 600 Euro im Monat.
Wir brauchen einen Mindestlohn, aber unter veränderten Bedingungen!
Ich
halte die derzeitige Diskussion für unseriös und
irreführend, weil sie das Kernproblem
verschweigt.
Ein
Mindestlohn richtet nur dann keinen Schaden an, wenn die
Lohndumpingattacken von außen eingedämmt
werden.
Dass
heißt im Klartext: Entweder müssen wir die Zölle
wieder anheben, Währungsdumping betreiben oder aber
eine
Lohnkostenreform
durchziehen
(schrittweise Anhebung der Mehrwertsteuer bei gleichzeitiger
Absenkung der lohnbezogenen Sozialabgaben).
Wenn ein Land sich vom Joch des globalen Lohn-, Sozial-, Öko- und Steuerdumpings befreit (durch Zölle oder die Lohnkostenreform), dann können Mindestlöhne keinen Schaden mehr anrichten, also nennenswert keine Arbeitsplätze vernichten.
Allerdings: In einem homogenen Binnenmarkt mit gleichen Wettbewerbsbedingungen sind Mindestlöhne eigentlich überflüssig, weil die Kräfte des Marktes für eine ausgewogene Balance (Gerechtigkeit) sorgen. Bei einer Vollbeschäftigung gibt es keine Lohnabwärtsspirale, da muss niemand für einen Hungerlohn arbeiten.
Pro
und Contra Mindestlohn:
Warum aber werden denn selbst solche Arbeiten schlecht bezahlt, die
nicht im globalen Wettbewerb stehen?
Die Frage ist mehr als berechtigt: Warum werden viele Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich (Friseure, Handel, Reinigungsgewerbe, Gastronomie, Wachdienst) so erbärmlich bezahlt, obwohl sie doch gar nicht im globalen Wettbewerb stehen?
Mehrere Ursachen sind für dieses Phänomen verantwortlich. Zum einen nutzen viele Unternehmer das vorhandene Überangebot an Arbeitskräften zur Lohndrückerei. Wenn zehn Millionen Menschen händeringend eine fair bezahlte Arbeit suchen, kann ein Unternehmer prima die Forderungen nach unten schrauben.
Dabei
ist die Ausbreitung dieses Lohnabbaus systembedingt ein Teufelskreis
&endash; schon aus Wettbewerbsgründen sehen sich letztlich auch
die breite Masse der humanen Unternehmen gezwungen, beim Lohndumping
mitzuhalten.
Verweigern sie sich, droht ihnen das wirtschaftliche Aus. Diese aus
der Massenarbeitslosigkeit resultierende Lohnabwärtsspirale
könnte durch einen Mindestlohn beendet werden, wenn nicht noch
andere Faktoren eine gewichtige Rolle spielen würden.
Müssten
zum Beispiel Friseure ihre Preise wegen Einführung des
Mindestlohnes anheben, würde in diesem Bereich vermehrt
gespart.
Viele Kunden würden dann einfach seltener zum Haarschneiden
gehen oder gar auf die Idee kommen, Kind und Kegel selbst zu
frisieren, bzw. die Nachbarschaftshilfe" und Schwarzarbeit
würde noch weiter um sich greifen.
Im Einzugsbereich der polnisch/tschechischen Grenze wäre die
Lage besonders prekär, da sich dort auch noch der
Wettbewerbsdruck aus dem Ausland bemerkbar macht.
Dem
Staat kann aber nicht daran gelegen sein, dass Friseure scharenweise
ihren Arbeitsplatz verlieren und sich in der Hartz-IV-Opfergemeinde
wiederfinden.
Nun ließe sich einwenden, die Bürger würden das
eingesparte Geld doch wieder anderweitig ausgeben, also an anderer
Stelle neue Arbeitsplätze schaffen.
Aber leider kommt ein Großteil dieses Geldes eben nicht der
deutschen Volkswirtschaft zugute, weil damit Importwaren (Handys,
LCD-Fernseher) und Auslandsreisen bezahlt werden.
Im
Handel schaut es nicht viel besser aus, auch hier führt eine
stärkere Lohnkostenerhöhung vielerorts zum Personalabbau.
Ein Teil des Fachpersonals würde eingespart, der Personalstand
verringert und der verbleibenden Belegschaft immer mehr Stress und
Arbeit zugemutet.
Tendenziell würden Vollzeitkräfte entlassen und durch
billige Aushilfskräfte ersetzt. Schon jetzt befindet sich der
Facheinzelhandel im scharfen Wettbewerb mit übermächtigen
Handelskonzernen, Filialisten und dem Internetversand.
Des
weiteren erhöht sich unablässig durch die EU-Richtlinien
der Konkurrenzdruck von außen. Dienstleistungsbetriebe aus
Osteuropa können mit ihren heimischen Mitarbeitern und
günstigen Steuer- und Sozialtarifen ihre deutsche Konkurrenz in
fast allen Bereichen leicht und locker unterbieten.
Diese Konkurrenz bekommen selbst die Wachdienst-Anbieter in den alten
Bundesländern zu spüren. Wenn die deutschen Dienstleister
ihre Aufträge behalten wollen, müssen sie ihre Preise
ständig nach unten korrigieren. Mindestlöhne würden
also auch hier zahlreiche Firmen zur Aufgabe zwingen. Es sei denn, es
gelänge, mittels Entsendegesetz das Unterwandern der Tarife
durch ausländische Anbieter zu verhindern.
Ein
zusätzliches Problem bei den Mindestlöhnen ergibt sich aus
den vielen Betrugsmöglichkeiten. Vor allem illegale Einwanderer,
Scheinselbständige und Schwarzarbeiter malochen oft für
einen Bruchteil des gesetzlich vorgeschriebenen Minimums.
Da werden dann einfach die zustehenden Löhne nur teilweise
ausgezahlt, Überstunden nicht angerechnet, saftige
Vermittlungsgebühren abkassiert oder horrende Summen für
die Unterkunft abgezogen.
Pro
und Contra Mindestlohn:
In der Zwickmühle
Viele Arbeitnehmer werden die Einführung eines Mindestlohnes mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes bezahlen müssen. Sie wären also die klaren Verlierer dieser Maßnahme. Auf der anderen Seite gäbe es natürlich auch Gewinner, dass wären all diejenigen, deren Arbeitsplätze trotz deutlicher Lohnanhebungen erhalten blieben.
Diese
gravierenden Interessenkonflikte lassen eigentlich nur zwei einfache
Lösungen zu: Entweder, man lässt alles wie es ist oder man
einigt sich auf einen sehr niedrigen Mindestlohn zwischen fünf
und sechs Euro.
Bei einem solchen Niveau darf man davon ausgehen, dass nicht allzu
viel Porzellan zerschlagen wird, also nur wenige Arbeitsplätze
verloren gehen. Ich persönlich denke sogar, dass bei einem
Mindestlohn von sechs Euro die Vorteile überwiegen. Es verbietet
einfach schon die Menschenwürde, noch schlechter bezahlte Jobs
zuzulassen.
Wichtiger als die Einführung des Mindestlohnes scheint mir indes, den Missbrauch der Akkordarbeit zu beenden. Es kann nicht angehen, dass zum Beispiel Großhotels ihre Reinigungskräfte pro Zimmer entlohnen und dabei die Leistungsnorm in unerreichbare Höhen schrauben. Der Missbrauch sollte von den staatlichen Behörden mit der gleichen Intensität verfolgt werden wie zum Beispiel die Schwarzarbeit.
Gesetzliche
Mindestlöhne in der EU
Was
sagen uns diese Zahlen? Außerdem
gibt es keine aussagekräftigen Untersuchungen, ob
Frankreich der hohe Mindestlohn von 9 Euro gut bekommt (bei
einem niedrigeren Mindestlohn hätten die Franzosen
vielleicht weniger Probleme). Folglich:
Wer A sagt, muss auch B sagen. Wer den europäischen
Binnenmarkt will, muss sich auch mit Lohndumping
abfinden.
(2011,
in Staaten mit mehr als 1 Million Einwohnern)
Bulgarien -,71 Euro
Estland 1,73 Euro
Slowakei 1,82 Euro
Tschechei 1,82 Euro
Polen 1,85 Euro
Portugal 2,92 Euro
Spanien 3,89 Euro
Griechenland 4,28 Euro
Großbritannien 6,91 Euro
Irland 7,65 Euro
Niederlande 8,74 Euro
Frankreich 9,- Euro
Einen Mindestlohn von über 4 Euro gibt es nur in in den
Staaten, die nicht unmittelbar an Niedriglohnländer
angrenzen.
Eine echte Lösung bringt nur die Ausschaltung der Billigkonkurrenz aus dem Ausland!
Wer
sich aufrichtig und ehrlich eine faire Entlohnung der Arbeitnehmer
wünscht, der wird um einen großen Kurswechsel nicht
herumkommen.
Er wird ein wenig Protektionismus betreiben müssen, um die
eigene Volkswirtschaft vor dem ausländischen Lohn-, Sozial-,
Öko- und Steuerdumping zu schützen.
Das läuft, wie schon erwähnt, auf eine Wiederbelebung der
Zölle oder eine zielstrebig durchgeführte Lohnkostenreform
hinaus.
Aber diesen Preis,
warum
auch immer,
wollen die meisten Bundespolitiker offensichtlich nicht bezahlen. Und
deshalb halte ich die ganze Diskussion um die Einführung des
Mindestlohnes im Grunde genommen für heuchlerisch.
Pro
und Contra Mindestlohn:
Ich bin für die Tariflohnpflicht!
Wäre
unsere Volkswirtschaft zumindest notdürftig vor dem irrationalen
ausländischen Dumpingwettbewerb geschützt (das bedeutet ja
keineswegs wirtschaftliche Abschottung sondern lediglich
Reduzierung der Importe), dann wäre die
Wiedereinführung der Tariflohnpflicht meines Erachtens eine
Selbstverständlichkeit.
In einem intakten Binnenmarkt wäre Lohndumping nicht mehr
durchsetzbar.
Firmen, die anständige Tariflöhne nicht aufbringen
könnten, müssten ihren Laden schließen. In einer
funktionierenden Marktwirtschaft müssen kränkelnde Betriebe
nicht mit Gewalt am Leben erhalten werden und Versäumnisse und
Fehler der Geschäftsleitung sollten nicht auf dem Rücken
der Mitarbeiter ausgetragen werden.
In
einem intakten Binnenmarkt wäre es auch eine pure
Selbstverständlichkeit, die sogenannten einfachen Arbeiten fair
und anständig zu bezahlen.
Auf die heutigen (Mai 2007) Verhältnisse umgerechnet müsste
der Mindesttariflohn einer Fachkraft mindestens bei zwölf Euro
brutto und der einer ungelernten Hilfskraft bei 10 Euro liegen.
Praktikanten müssten mit mindestens fünf Euro die Stunde
entlohnt werden.
Diese
Mindestlöhne und die Einhaltung der Tariflöhne müssten
natürlich auch für Zeitarbeiter und Minijobber gelten. Und
natürlich müsste dem Minijobber auch ein entsprechender
finanzieller Ausgleich für Tarif-Sonderleistungen (Weihnachts-
und Urlaubsgeld, Urlaubsanspruch, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
usw.) zustehen.
In einer intakten Marktwirtschaft gibt es absolut keinen Grund (und
auch kaum eine Gelegenheit), Menschen auszubeuten und zu
diskriminieren und allgemeinen Wohlstand auf Kosten der
Schwächeren zu entwickeln.
Nachtrag: Im Mai 2012 wurde in Deutschland nur noch jeder zweite Arbeitnehmer nach Branchentariflohn gezahlt. Früher war das anders: Bereits in der Weimarer Republik gab es eine Tariflohnpflicht.
Ohne
Bekämpfung des Subunternehmertums gibt es keine echten
Mindestlöhne!
Je
höher der Mindestlohn, desto größer die Flucht in die
Scheinselbständigkeit und Schattenwirtschaft. Denn für
Freiberufler, Landwirte und Soloselbständige gelten keine
Mindeststandards. Solange ein Staat diese widerlichen
Ausbeutungssysteme zulässt, kann von einem "Mindestlohn"
eigentlich gar nicht die Rede sein. Warum verbietet er nicht das
skandalöse Verwirrspiel mit dem ineinander verflochtenen und
verschachtelten Subunternehmertum? Warum darf es zum Beispiel
selbständige Paketzusteller und Informatiker geben, die
letztlich für drei oder vier Euro brutto die Stunde arbeiten?
In einem Land, in dem angeblich ein akuter Fachkräftemangel
herrscht. Das passt doch alles nicht zusammen! Wobei
schließlich jedermann weiß, dass es angesichts dieses
Subunternehmertums zu einer Kette weiterer Verwerfungen kommt.
Zum Beispiel zur Verödung der Innenstädte, denn der
Boom im Onlinehandel stützt sich zum Teil auf das
Dumpingpreissystem beim Warenversand. Es kann doch wohl nicht sein,
dass freiberufliche Paketzusteller de facto für einen Drittel
des Mindestlohnes arbeiten, um dann über das Sozialamt als
Aufstocker das Haupteinkommen zu beziehen.
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www.globalisierung.com.de
Impressum
© Manfred J. Müller, Flensburg, Mai 2007
Dieser Artikel, bereits vor der 2008 einsetzenden Wirtschaftskrise
verfasst, hat an Aktualität wenig eingebüßt. Selbst
die Einführung des Mindestlohnes im Januar 2015 (der durch
unzählige Tricks unterlaufen werden kann) wird daran wenig
ändern.
Anmerkung:
Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im
Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen
Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und
Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.
Bücher
von Manfred J. Müller
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aber von Schönfärbereien, Ablenkungsmanövern, Rufmord,
Parteiverboten und der Einschüchterung oder Umerziehung der
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