Nicht einmal eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel wäre unsozial!

Wie sozial ist die Mehrwertsteuer?

Mich erstaunt immer wieder, wie unsachlich Wirtschaftsexperten auch heute noch die Mehrwertsteuer kritisieren. Haben sie von den bisherigen Erfahrungen so gar nichts mitbekommen?
Bereits mehrmals wurde die Mehrwertsteuer erhöht, und immer waren die Ergebnisse positiv.
Die Arbeitslosenzahlen gingen zurück, es gab keine zusätzliche Zunahme der Teuerungsrate.

Dennoch werden vor allem aus dem linken Lager die Demagogen nicht müde, die Mehrwertsteuer als unsozial zu verteufeln.

Was aber bitte ist an einer Besserung der Beschäftigungslage unsozial?
Und warum will man nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Mehrwertsteuererhöhungen der Vergangenheit den üblichen Preisauftrieb nicht verstärkt haben, weil im Gegenzug Entlastungen an anderer Stelle stattfanden (das Sozialsystem mehr über Steuern finanziert wurde)?

Es grenzt doch schon an Idiotie, die positiven Trends nach den bisher erfolgten Mehrwertsteueranhebungen allesamt anderen Umständen zuschreiben zu wollen (zum Beispiel der Agenda 2010, der Besserung der Weltkonjunktur usw.). Warum will man die Realitäten nicht sehen, warum immer wieder diese reflexartigen Verdrängungsrituale?

 

"Aber eine Mehrwertsteuererhöhung trifft doch den kleinen Mann..."
Selbst einige medienpräsente TV-Gurus beharren penetrant auf dem längst widerlegten Vorurteil, die Mehrwertsteuer strafe besonders den kleinen Mann, da er doch an die 100 % seines Einkommens verkonsumiert.
Welch eine naive Logik - einmal abgesehen davon, dass die aufgestellte Behauptung so nicht stimmt. Denn ein Gutteil des Einkommens verschlingt schließlich schon die Miete (die mehrwertsteuerfrei ist), ein anderer Batzen geht für Nahrungsmittel drauf, die seit Jahrzehnten nur mit einem Minimalsatz (7 %) besteuert werden.

Einem Geringverdiener stehen im Monat kaum mehr als 200 Euro zur freien Verfügung für Anschaffungen oder Dienstleistungen, die dem Mehrwertsteuer-Regelsatz von 19 % unterliegen.
Die letzte Erhöhung von 16 auf 19 Prozent kostete ihn oberflächlich betrachtet fünf Euro im Monat (aber eben in Wirklichkeit nichts, weil die Inflationsrate wegen der Lohnnebenkostensenkungen gar nicht zunahm).
Den Besserverdiener, der die zehnfache Summe (2000 Euro) ausgab, traf die Mehrwertsteuererhöhung zum 1.1.2007 rechnerisch mit 50 Euro (also der zehnfachen Summe).
Was wäre daran unsozial, wenn es denn so wäre? Seriös betrachtet erfährt natürlich auch der Besserverdiener keine echten Nachteile durch die Mehrwertsteueranhebung, weil ja die Inflationsrate gar nicht ansteigt.

Dabei darf man den entscheidenden Faktor nicht außer Acht lassen: Das Einkommen des Besserverdieners wurde ja bereits nach sozialen Gesichtspunkten besteuert, ihm wurden in der Spitze satte 45 Prozent abgeknöpft.
Von seinem verbliebenem 55-Prozent-Anteil zahlt er nun mit jedem Kauf die höhere Mehrwertsteuer. Was will man denn noch? Wie oft soll der Besserverdiener seinen Sozialtribut entrichten? Erst beim Einkommen, dann beim Konsum, dann beim Vermögen und schließlich beim Vererben?

Wenn man es genau und langfristig sieht, führt eine Mehrwertsteueranhebung sogar zur Senkung der Inflationsrate, was einen echten Kaufkraftzugewinn bedeutet (auch für Leute mit geringem Einkommen).
Warum das so ist? Ganz einfach: Höhere Mehrwertsteuern bedeuten letztlich eine Entlastung der staatlich verordneten Lohnnebenkosten (Sozialversicherungsbeiträge und Steuern). Geringere Lohnkosten wiederum sichern alte und schaffen neue Arbeitsplätze und führen zu einer Abnahme der
Massenarbeitslosigkeit (wodurch die Staatskosten sinken).

 

In der Praxis sind die Veränderungen kaum wahrnehmbar...
Die vielen Falschaussagen und Vorurteile bei der Bewertung der Mehrwertsteuer resultieren vor allem aus dem schleichenden Ablauf der Veränderungen.

Ein Bäcker zum Beispiel gibt die Lohnnebenkostenentlastung nicht sofort weiter, sondern verrechnet sie in der Regel mit der nächsten Lohnanpassungsrunde (er verzichtet dann in dem Jahr vermutlich auf die sonst übliche Preisanhebung).
Auch die Fabrikanten von Industrieprodukten reagieren nicht auf den Stichtag der Änderung, sie lassen alle Kostenfaktoren in ihre einmal jährlich erstellte Preisliste einfließen.
Lediglich bei den Einfuhren könnte die Mehrwertsteuererhöhung sofort preistreibend wirken - aber die Importeure werden sich hüten, vorschnell und einseitig zu reagieren (sie werden normalerweise die allgemeine Preisentwicklung abwarten).

Allein bei langlebigen teuren Gütern wie zum Beispiel Fahrzeugen scheint die Mehrwertsteuererhöhung unmittelbar durchzuschlagen.
Aber auch dies ist ein Irrtum, denn in Wahrheit wird durch die Ermäßigung der Lohnnebenkosten der Teuerungseffekt mehr als aufgehoben (es sei denn, der Autokonzern bezieht den größten Teil der Zulieferungen aus dem Ausland).
Der Autokonzern nutzt also häufig nur die Gunst der Stunde, um eine ohnehin fällige Preisanpassung populistisch zu rechtfertigen.

 

Mehrwertsteuererhöhungen kompensieren auch schleichende Kostensteigerungen im Sozialbereich...
Beachtet wird bei dem Gerangel um die Bewertung der vermeintlich preistreibenden Effekte der Mehrwertsteuer auch nicht die allgemeine Finanzlage.

Durch die demographische Entwicklung (Zunahme der Rentner) und anderer kostentreibender sozialer Faktoren (mehr medizinische Möglichkeiten, Elterngeld, Migration von Wirtschaftsflüchtlingen, höhere Bildungsaufwendungen usw.) wird der Sozialstaat zunehmend teurer.
In der Vergangenheit wurden mehrfach anstehende Anhebungen bei den Sozialbeiträgen und Lohnsteuern über die Mehrwertsteuer ausgeglichen.

Wenn auch nicht direkt sichtbar, bedeutet also eine Mehrwertsteuererhöhung generell eine Entlastung der Lohnnebenkosten (und deshalb eine Stärkung unseres Produktionsstandortes) - also selbst dann, wenn die Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung nicht direkt zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge verwendet werden.

Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die Anhebung der Lohnsteuerfreigrenze und Absenkung der Lohnsteuertarife. Derlei "Steuergeschenke" mussten natürlich irgendwann und irgendwie bezahlt bzw. gegenfinanziert werden.
Der Ausgleich vollzog sich, wenn auch zeitversetzt, üblicherweise über die Mehrwertsteueranhebung, auch wenn dieser Zusammenhang niemals erwähnt oder eingestanden wurde.

 

Die einzigen Leidtragenden einer Mehrwertsteuererhöhung sind das Kapital und die Konzerne
Eine Mehrwertsteuererhöhung besitzt grundsätzlich die Eigenschaft, die inländischen Lohnkosten zu senken und eingeführte ausländische Lohnkosten (Importe) zu verteuern. Dieser Vorgang hat natürlich spürbare Folgen: Das globale Lohndumpingsystem wird geschwächt.

Und allein aus dieser Tatsache erklärt sich die heftige Abneigung der Kapitallobby gegen jegliche Mehrwertsteuererhöhung.
Wer gegen eine Mehrwertsteuererhöhung wettert, entlarvt sich meines Erachtens als verkappter Kapitalist, dem soziale Gesichtspunkte nicht wirklich etwas bedeuten.
Oder aber er versteht von der Sache nichts (dann aber sollte er sich mit seinen Äußerungen lieber zurückhalten).

 

 

 

 

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© Dieser Text ist die Zusammenfassung einer Studie des Wirtschaftsanalysten und Publizisten Manfred J. Müller aus Flensburg
. Erstveröffentlichung 2012.

 

 


Überwindung der Denkverbote statt populistischer Gesundbeterei …
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Anmerkung: Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.

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Ist eine Demokratie zu schwach, den Bürgern reinen Wein einzuschenken?
Eine staatliche, gehirnwäscheartige Dauerpropaganda wird immer wieder eingesetzt, um konzernfreundliche, radikale Ideologien durchzusetzen (z. B. die Zollächtung = Inthronisierung des globalen Dumpingwettbewerbs). Wenn es aber um ein wirklich notwendiges Umdenken geht (Erhöhung der Mineralölsteuer, Einführung einer Kerosinsteuer, Verdoppelung der Lkw-Maut, Aufgabe des gescheiterten Schengener Null-Grenzen-Experiments etc.), meint man, die Bevölkerung nicht mitnehmen zu können. Denn das könnte ja Wählerstimmen kosten.