Kann es eine globale Marktwirtschaft überhaupt geben?
Es gibt leider immer wieder Politiker, die gedankenlos von der "globalen Marktwirtschaft" reden, in der wir nun einmal alle leben. Dabei ist diese Begriffskombination widersprüchlich wie sie größer kaum sein könnte. Denn eine weltweite Marktwirtschaft schließt sich unter den heutigen Bedingungen völlig aus - Globalisierung und Marktwirtschaft passen nun einmal überhaupt nicht zusammen. Eine Marktwirtschaft kann nur existieren in einem Wirtschaftsraum mit einheitlichen Bedingungen. Zu Zeiten Ludwig Erhards und der Wirtschaftswunderjahre gab es so etwas in Deutschland, als sich die BRD vor der ausländischen Dumpingkonkurrenz über Importzölle ausreichend schützte.
Nur in einem derartigen intakten Binnenmarkt kann eine echte Marktwirtschaft gedeihen! Weil dort für alle Marktteilnehmer annähernd gleiche Bedingungen herrschen (gleiche Löhne, Steuern, Infrastrukturen). Unter den Firmen gestaltet sich ein fairer Wettkampf - die leistungsfähigen Firmen mit effektiver Organisation und guter Produktpalette bzw. solider Handwerksarbeit setzen sich in der Regel durch. Mit der Globalisierung bzw. dem weitgehenden Verzicht auf Importzölle kann es diesen fairen Wettbewerb nicht mehr geben! Wie soll ein Markt funktionieren, wenn Stundenlöhne von 50 Cent und 25 Euro aufeinanderprallen, wenn der eine Staat den Firmen Steuerfreiheit gewährt, der andere aber zur Erhaltung der Infrastruktur Ertragssteuern erheben muss? Wie naiv muss man sein um annehmen zu können, dass solch total divergenten Rahmenbedingungen mit einer Marktwirtschaft vereinbar wären?
Globalisierung
und Marktwirtschaft passen nicht zusammen - beides kann es nicht
geben.
Entweder man entscheidet sich für die Marktwirtschaft oder
für die Globalisierung!
Gerade
einmal 2 km von meinem Schreibtisch entfernt stehen diese
verlassenen Werkshallen, wo noch vor gar nicht langer Zeit
3000 hochmotivierte Mitarbeiter Handys zusammengeschraubt
haben. Die Produktion wurde inzwischen nach China
verlagert.
Viele deutsche Großunternehmer betonen immer wieder,
sie müssten Fabriken im Ausland errichten, um in
Marktnähe präsent zu sein. Leider gilt diese
Regel in umgekehrter Richtung kaum. Welcher Handy-,
Computer oder TV-Hersteller kommt schon auf die Idee, seine
Absatzmärkte in Deutschland durch inländische
Fertigungsanlagen zu unterstützen? Diejenigen, die
sich nach langem Gefeilsche um Subventionen und spezielle
Verkehrsanbindungen doch noch in unser Land verirren, sind
nach Ablauf einer Scham- oder Bindungsfrist häufig
schnell wieder verschwunden.
Das Märchen von der globalen Marktwirtschaft...
Grau,
grau ist alle Theorie...
Theoretisch
könnte es auch eine globale Marktwirtschaft geben -
wenn die wichtigsten Kostenfaktoren weltweit angeglichen
wären: also weltweit einheitliche Lohn- und Manteltarife,
einheitliche Steuern, einheitliche Arbeits- und Umweltauflagen,
einheitliche Sozialgesetzgebung (Kranken, Renten-, Pflege- und
Arbeitslosenversicherung, einheitliche Genehmigungsverfahren und
bürokratische Strukturen). Wären in allen Staaten dieser
Welt die Bedingungen annähernd egalisiert, dürfte
tatsächlich von einer globalen Marktwirtschaft gesprochen
werden! Dann würde allein die Leistungsfähigkeit einer
Firma und deren Mitarbeiter über den geschäftlichen Erfolg
entscheiden.
Von einer solch globalen Wettbewerbsgleichheit sind wir Lichtjahre
entfernt - die Standortfaktoren in den einzelnen Ländern
könnten unterschiedlicher kaum sein! Ein globaler
Produktionswettbewerb kann bei den vorherrschenden gravierenden
Unterschieden niemals mit einer Marktwirtschaft gleichgesetzt
werden.
Selbstverständlich werden die Hochlohnländer diesem unfairen Kampf auf Dauer unterliegen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Die fehlenden Zölle erlauben den großen Firmen, die Staaten und die Arbeitnehmer dieser Welt rücksichtslos gegeneinander auszuspielen, sie erlauben, einen Dumpingwettbewerb nach unten loszutreten. Streng genommen erlaubt dieser Dumpingwettbewerb den Firmen nicht nur die brachiale Ausbeutung, er zwingt sie sogar dazu! Firmen, die sich zu human geben, werden den harten Überlebenskampf selten überstehen.
Die Hochlohnländer, die sich der Globalisierung (durch den Verzicht auf Zölle) bedingungslos verschrieben haben, versuchen krampfhaft mit Ausflüchten und Notmaßnahmen, die offensichtliche Fehlentwicklung zu kaschieren. Sie streuen den Menschen Sand in die Augen, schieben alles Ungemach auf die demographische Entwicklung und lenken davon ab, dass seit 1980 die realen Lohneinkommen trotz aller produktiven Fortschritte und trotz steten Wirtschaftswachstums absinken. Um sich den Billiglohnländern möglichst unbemerkt schleichend annähern zu können, wird der Druck auf die Arbeitslosen (Hartz IV) erhöht und menschenunwürdige, demoralisierende 1-Euro-Jobs, Minijobs, Leiharbeitsverhältnisse, Scheinselbständigkeit, Schwarzarbeit, unbezahlte Praktikantenjobs, staatliche Lohnzuschüsse usw. ermöglicht und als fester Bestandteil unserer Gesellschaft etabliert. Alles nur, um ja nicht zugeben zu müssen, dass die Globalisierung (und die EU) so nicht funktionieren können. Alles nur, weil die Kapitallobby und die ihr nahestehenden Medienkonzerne und "Wirtschaftsforschungsinstitute" immer noch am vertrackten Modell der angeblich wohlstandsmehrenden Globalisierung (dem Zollabbau) festhalten. Der Begriff "globale Marktwirtschaft" sollte endlich zum Unwort des Jahrhunderts gekürt werden, denn er adelt eine Fehlentwicklung, die vielleicht noch die ganze Menschheit ins Verderben stürzt.
Das
Märchen von der globalen Marktwirtschaft...
Macht
endlich Schluss mit der Heuchelei und
Volksverdummung! Gesteht
endlich ein, dass es eine globale Marktwirtschaft bei
völlig unterschiedlichen Standortbedingungen nicht
geben kann! In einem weitgehend zollfreien
Wirtschaftsgebiet werden nur die Stärkeren
überleben - und die Stärkeren sind nun einmal die,
die bei gleicher Qualität wesentlich billiger
produzieren können (bessere Standortbedingungen
haben). Eine
Bitte an alle Parteien und ihre Führer: Schenkt euren
Bürgern reinen Wein ein, sagt ihnen bereits vor der
Wahl, ob eure Partei entweder auf die Globalisierung
und die EU oder eben auf die Marktwirtschaft
setzt. Und
redet euren Wählern bitte nicht ein, sie könnten
beides haben, sowohl die Globalisierung als auch die
Marktwirtschaft!
Auch die deutschen Vorzeigebranchen (Maschinenbau, Auto- und
Chemieindustrie) werden auf Dauer der
leistungsfähigen Billigkonkurrenz aus Fernost oder
Osteuropa kaum Paroli bieten können. Auch diese
Branchen sind (wie die meisten Branchen zuvor) zum
Aussterben verurteilt, falls die Politik sich nicht bald
umbesinnt (Anhebung der Zölle oder
eine
Lohnkostenreform).
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Impressum
© Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser
Wirtschaftsanalyst und Publizist). 4. 12. 2008
Anmerkung:
Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im
Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen
Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und
Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.
Bücher
von Manfred J. Müller
Man
kann nicht ständig das, was der normale Menschenverstand und die
Mehrheit der Bevölkerung für gut und richtig befinden, als
rechten Populismus abtun. Täte man dies, wäre nur noch eine
gegen das Volk gerichtete Politik legitim. Das wäre jedoch eine
Perversion der Demokratie!