Die Tobin-Tax als Antwort auf die Globalisierung?

Viele Globalisierungskritiker bauen auf die Tobin-Tax. Sie meinen, wenn der Kapitalverkehr mit einer minimalen Steuer (im Gespräch sind 0,1 %) bedacht wird, würden die spekulativen Auswüchse des Geldhandels eingedämmt und die Globalisierung ein menschlicheres Antlitz bekommen.

Gewiss, eine Tobin-Tax wäre sicher begrüßenswert! Aber macht es Sinn, sich an etwas zu klammern, dessen Durchsetzbarkeit äußerst unwahrscheinlich ist?

Die Tobin-Tax funktioniert im Prinzip nur, wenn sie weltweit eingeführt wird, wenn es also keine Schlupflöcher, keine Geldhandelsoasen gibt. Eine solche einheitliche Besteuerung scheint aus heutiger Sicht unwirklich.
Diese Skepsis bestätigt sich auch durch die Erfahrungen der Vergangenheit: Die Idee der Tobin-Tax ist über 30 Jahre alt und man ist trotz aller Bemühungen seitens der Globalisierungsgegner nicht einen einzigen Schritt vorangekommen.

Die Bemühungen um die Tobin-Tax haben viel Energie von anderen, sinnvolleren Projekten abgesogen. Die Zeit ist reif, eine ehrliche Erfolgsbilanz zu ziehen, um nicht weiter einen Großteil der Kräfte an einem sinnlosen Projekt zu vergeuden.

Wer "A" sagt, muss auch "B" sagen.
Wer also die Tobin-Tax fordert, der sollte auch gleich erläutern, wie er die zu erwartende Kapitalflucht zu verhindern gedenkt. Soweit ich weiß, bin ich bislang der Einzige, der zur Lösung dieses Problems einen
konkreten Vorschlag beigesteuert hat.

Zudem sollten wir nicht verkennen, dass die Probleme der Globalisierung und der weltweiten Ausbeutung nur bedingt mit dem ungezügelten Kapitalverkehr im Zusammenhang stehen.
Eigentliche Ursache des globalen Dumpingsystems ist in erster Linie der
Verzicht auf notwendige Zölle, der die Funktion einer fairen Marktwirtschaft nicht mehr gestattet.

Im Endeffekt erweist sich die Tobin-Tax vielleicht sogar als Handicap im Kampf gegen die unmenschliche Globalisierung, weil sie zu viel Aufmerksamkeit auf sich zieht und von wichtigeren Reformen ablenkt.

Den Neoliberalen muss die Tobin-Tax wie ein Geschenk des Himmels erscheinen - solange ihre Gegner sich im schier endlosen Kampf um die Finanztransaktionssteuer aufreiben, können sie ihre staatszersetzenden Freihandels-Strategien ungestört weiter vorantreiben.

Nachtrag:
Bietet die Weltwirtschaftskrise endlich die Möglichkeit, eine Finanztransaktionssteuer durchzusetzen?

 

 

 

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© Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher). Erstveröffentlichung 2001 (aber immer noch aktuell)



   


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Anmerkung: Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.

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Eine staatliche, gehirnwäscheartige Dauerpropaganda wird immer wieder eingesetzt, um konzernfreundliche, radikale Ideologien durchzusetzen (z. B. die Zollächtung = Inthronisierung des globalen Dumpingwettbewerbs). Wenn es aber um ein wirklich notwendiges Umdenken geht (Erhöhung der Mineralölsteuer, Einführung einer Kerosinsteuer, Verdoppelung der Lkw-Maut, Aufgabe des gescheiterten Schengener Null-Grenzen-Experiments etc.), meint man, die Bevölkerung nicht mitnehmen zu können. Denn das könnte ja Wählerstimmen kosten.