Fünf-Jahres-Bilanz der Agenda 2010 in Kurzfassung: Die Agenda 2010 schuf keine neuen Arbeitsplätze... Warum feiern Konzerne, Parteien und Medien die Agenda 2010 als Erfolg? |
Als
im März 2003 der damalige Bundeskanzler Schröder die Agenda
2010 verkündete, waren die Medien begeistert. "Endlich einmal
der richtige Ansatz" jubelten sie nahezu einstimmig im Chor.
Überraschend kam dieser Beifall nicht, wenn man bedenkt, wer
denn nun letztlich hinter den privaten
Medien
steht. Die großen Presseverlage und Fernsehsender befinden sich
schließlich nicht im Besitz kleiner Mittelständler - die
große Schar der meinungsbildenden Journalisten arbeiten in
Betrieben, die gelenkt werden von reichen Verlegerdynastien oder dem
Großkapital.
Auch Journalisten und Redakteure müssen um ihren Arbeitsplatz bangen und sind angewiesen auf das Wohlwollen ihrer Vorgesetzten - wieviel eigene Meinung darf man derart abhängig Beschäftigten zutrauen? Schließlich haben die meisten Schreiberlinge auch Familie - wozu also die eigene Stellung riskieren, wo man doch viel lieber die Karriereleiter etwas aufsteigen möchte.
So
wundert es denn wenig, wenn das Medienfazit auch nach
fünf Jahren gelebter Agenda 2010 überwiegend positiv
ausfällt. Obwohl bereits maßgebliche Kräfte der SPD
zurückzurudern versuchen, verharren die Medien
unerschütterlich in ihrem Lobgesang. Standhaft wird trotz aller
negativer Erfahrungen die Agenda-2010-Fahne weiter hochgehalten und
unverdrossen die Werbetrommel für das zweifelhafte Reformwerk
gerührt.
Nachtrag
Januar 2015: Auch nach 10 Jahren Agenda 2010 hat die nachstehende
Analyse noch immer Bestand.
Noch
immer werden der Agenda 2010 wahre Wirtschaftswunder
angedichtet. Doch belässt man es bei Behauptungen -
echte Beweise für den Erfolg des vermeintlichen
Spätzünders werden nicht angetreten.
So darf es wenig verwundern, wenn nicht einmal in Not
geratene EU-Staaten das angebliche Erfolgsmodell kopieren
wollen.
1.
Gleichschaltung von Sozialhilfe und
Arbeitslosengeld.
Den
meisten Sozialhilfeempfängern geht es durch die Agenda 2010
etwas besser, den Arbeitslosen aber zum Teil erheblich
schlechter.
Die Arbeitslosen-Zwangsversicherung wurde also entwertet, sie
bietet trotz hoher Beiträge nur noch sehr begrenzt Leistungen,
Beitragszahler und Nichtversicherte werden schon nach kurzer Zeit in
einen Topf geworfen.
2.
Der Druck auf viele Arbeitslose wächst - bereits nach kurzer
Schamfrist müssen Arbeitslose vom Ersparten
leben!
Was
würde man von einer Autoversicherung halten, die sich weigert,
einen Unfallschaden zu begleichen, weil der Versicherte über
genug eigene Rücklagen verfügt?
Die Arbeitslosenversicherung handelt nach diesem Prinzip, sobald das
Alg I abgelaufen ist. Derjenige, der für sein Alter
vorgesorgt und gespart hat, ist der Dumme.
Trotzdem bin ich natürlich heilfroh, dass im Zuge der 2010 nicht auch noch die Rentenversicherung "reformiert" wurde. Hier hätte man auch sagen können: "Bitte erst die Vermögen aufbrauchen, erst danach gibt es Rentenleistungen".
3.
Der Druck auf das gesamte Lohnniveau nimmt
zu!
Dadurch,
dass hochqualifizierte Facharbeiter und Spezialisten jetzt auch
schlechtbezahlte einfache Jobs annehmen müssen, gewinnt die
Lohnabwärtsspirale weiter an Dynamik. Der Druck auf die
Löhne verstärkt sich auf breiter Front - auf Dauer gesehen
also sinkende Arbeitseinkommen bis hinauf zu den
Besserverdienern.
4.
Wohl dem, der nichts hat!
(dem
kann auch nichts genommen werden)
Die
Agenda 2010 spaltet die Arbeitslosen in zwei Lager: Diejenigen, die
nichts besitzen (weil sie zum Beispiel nie gearbeitet haben oder
völlig mittellos aus dem Ausland kamen) genießen weiterhin
eine Art Vollkasko-Versorgung.
Vollkasko
deshalb, weil der Staat bei den Mittellosen für alle
Eventualitäten und Schicksalsschläge bis zur
Prozesskostenhilfe aufkommen muss.
Wer sich mit wenig begnügt, für den gibt es auch
weiterhin keinen Arbeitsdruck, vor allem wenn er in einer
großen Familie mit Kindern lebt, die alle vom Staat versorgt
werden (eine Alleinerziehende mit 3 kleinen Kindern erhält etwa
2000 Euro netto). Näheres...
Völlig
anders geht es dagegen denjenigen, die sich angestrengt, abgerackert,
fortgebildet und evtl. etwas angespart haben.
Diese
"bessergestellten" Arbeitslosen sind die großen Verlierer der
Agenda 2010,
denn
ihnen geht der Staat ans Eingemachte, an das noch nicht abbezahlte
Häuschen, an die Ersparnisse fürs Alter usw..
Diese Leute (eigentlich die ehemaligen Stützen unserer
Gesellschaft), müssen im Falle der Erwerbslosigkeit alles an
Arbeit annehmen, was ihren Absturz hinauszögern könnte.
Das ist die neue Gerechtigkeit der
Agenda-2010-Erfinder.
5.
Leiharbeit breitet sich aus!
Gut,
dass in Deutschland die Sklaverei verboten ist! Nicht gut, dass Leih-
bzw. Zeitarbeit erlaubt sind und durch die Agenda 2010 erheblich
gefördert wurden.
Leiharbeiter
erhalten in der Regel nur 50 bis 70 % des Einkommens der
Stammbelegschaft, haben "als Ausgleich" dafür aber deutlich
weniger Rechte und Absicherungen.
Kann man Unternehmern, die ständig unter Kostendruck stehen
(wegen der Globalisierung bzw. dem Zollabbau) verdenken, dass sie
versuchen, Teile ihrer Stammbelegschaft pö a pö durch
Leiharbeiter auszutauschen?
Die
Komplexität der Agenda 2010 provoziert jährlich
Hunderttausende Prozesse, die der Allgemeinheit Unsummen
kosten und unsere Gerichte und Justiz schwer belasten.
Mittlerweile mussten an der Agenda 2010 über 50
Gesetzesänderungen vorgenommen werden.
Und immer noch hält sich in der Öffentlichkeit das
Gerücht, die Agenda 2010 sei ein Erfolg gewesen.
6.
Absturz der SPD und eine neue Linkspartei...
Logisch,
dass die Agenda 2010 Veränderungen in der Parteienlandschaft
hervorrief. Dass enttäuschte SPD-Wähler in Scharen zur
Linkspartei überwechselten, kann doch eigentlich niemanden
verwundern.
Einher mit diesen Veränderungen geht leider eine Schwächung des Staates, denn Regierungsbildungen sind durch das neue 5-Parteien-System schwieriger geworden und es müssen noch mehr Kompromisse ausgehandelt werden. Allein dieser eine Punkt macht die Agenda 2010 volkswirtschaftlich gesehen zu einem Desaster.
7.
Keine positive Arbeitsbilanz!
Die
Agenda zwingt hochqualifizierte Leute in einfache
Arbeitsverhältnisse. Dadurch verschwinden zwar manche
Langzeitarbeitslose aus der Arbeitslosenstatistik, der Preis
dafür ist aber hoch (Anheizung der Lohnabwärtsspirale,
Vergeudung von Expertenwissen).
Ein wenig erinnert mich dieser Frevel an Maos desaströse
Kulturrevolution in China, denn dort wurden auch Akademiker zu
Hilfsarbeitern degradiert.
Hinzu kommen die zahlreichen Negativexperimente der Agenda 2010 (zum Beispiel die Ich-Ag), die sicher mehr Arbeitsplätze gekostet als geschaffen haben und die heilenden Kräfte der Marktwirtschaft unterlaufen.
Ich vermute, dass unterm Strich die Agenda 2010 keine positiven Aspekte auf dem Arbeitsmarkt erwirkt hat. Der wirtschaftliche Aufschwung ab 2006 hat ganz andere Ursachen, nämlich die Mehrwertsteuererhöhung, der Niedergang des Euro (Währungsdumping) und der Reallöhne (in anderen EU-Staaten stiegen die Lohnkosten, in Deutschland sind sie gesunken). Auch erlaubt die Bilanzkosmetik bei den amtlichen Arbeitslosenzahlen einen großen Gestaltungsspielraum.
"Die
Arbeitslosenzahlen haben sich doch halbiert!" Der
Rückgang der deutschen Arbeitslosenzahlen hat aber
andere Ursachen: 1.
Der schwache Euro beschert seit einigen Jahren der deutschen
Exportindustrie volle Auftragsbücher, weil deren Waren
durch die Dumpingwährung billiger
wurden. 2.
Der globale Lohndumpingwettbewerb als Folge des Freihandels
(Zollverzichts) sowie die hohe Massenarbeitslosigkeit
sorgten für sinkende Realeinkommen. 3.
Die von der EZB ausgelöste Billiggeldschwemme
als Antwort auf die Banken-, Euro- und Staatsschuldenkrise
befeuerte natürlich die Wirtschaft. 4.
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 %
stabilisierte ebenfalls den Arbeitsmarkt, weil sie
ähnlich wie ein Zoll wirkt. 5.
Auch die demografische Entwicklung führte zur
positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt (es scheiden mehr
alte Arbeitnehmer aus dem Arbeitsprozess aus als junge Leute
hinzukommen). 6.
Aufgrund der Krisenerfahrung 2004 und 2005 haben viele
Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht, rationalisiert
und umstrukturiert, was wiederum ihre
Wettbewerbsfähigkeit erhöhte. 7.
Veränderung bei der Berechnung der Arbeitslosenzahlen
führten ebenfalls zu positiven Effekten - zumindest
statistisch (Bilanzkosmetik). Die
Hartz-IV-Gesetze haben den durch den globalen
Lohndumpingwettbewerb verursachten Lohnabstieg noch
zusätzlich angeheizt. Negativ
wirkt sich auch aus, dass das Agenda-2010-Reformwerk unsere
Gesellschaft zusätzlich spaltet - weil Hartz IV in
vielen Punkten als unmoralisch (ungerecht) empfunden wird.
Verdrossene Staatsbürger fördern selten das
Allgemeinwohl - sie denken oft nur noch daran, wie sie den
ungeliebten Staat schröpfen können. "Wer
die Agenda 2010 ablehnt, muss Alternativen nennen!" Was
die Nennung von Alternativen betrifft: Nichts leichter als
das! Es
gibt also durchaus Alternativen, selbst für ein
Exportland wie Deutschland. Man muss halt nur tief
verwurzelte Vorurteile überwinden und sich von den
scheinheiligen Parolen der Globalisierungslobby
lösen können.
Frechheit
siegt, vor allem wenn es um unseriöse Behauptungen
geht. So verweisen die Agenda-2010-Lobbyisten penetrant auf
die "Halbierung der Arbeitslosenzahlen" seit Inkrafttreten
der Agenda 2010 im Januar 2005.
Durch die Politik der Schröder-Regierung und anderer
Faktoren waren die Arbeitslosenzahlen Anfang 2005 auf die
Rekordmarke von über fünf Millionen gestiegen.
Diese zeitlich begrenzte Ausnahmeerscheinung muss jetzt
immer als Referenzwert herhalten ("seht doch, wie
erfolgreich die Reform war".
Weil viele ausländische Gewerkschaften weniger
Lohndisziplin übten, verbesserte sich zusätzlich
die deutsche Wettbewerbsfähigkeit.
In Deutschland lösten niedrige Hypothekenzinsen von 2-3
% (statt der üblichen 7-8 %) einen gigantischen Bau-
und Renovierungsboom aus (zusätzlich angeheizt durch
teure Energiespar-Fördermaßnahmen).
Erfahrungswerte und Modellrechnungen verschiedener Institute
haben längst nachgewiesen, dass jeder Prozentpunkt
einer Mehrwertsteuererhöhung (bei gleichzeitiger
Senkung der Sozialversicherungsbeiträge) in Deutschland
etwa 100.000 bis 150.000 neue Arbeitsplätze schafft.
(Bereits 1985 hatte ich die Idee einer derartigen
Lohnkostenreform der Öffentlichkeit
vorgestellt.)
Aber die beschäftigungsfördernde Wirkung dieser
unseligen Maßnahme ist angesichts der anderen
entscheidenden Punkte minimal und kaum auszumachen, da
gleichzeitig andere Hartz-IV-Maßnahmen
kontraproduktiv waren (man denke nur an die
Hartz-IV-Prozesskostenlawine, Besserstellung der ehemaligen
Sozialhilfeempfänger usw.).
"Schlecht
bezahlte Arbeit ist besser als überhaupt keine Arbeit!"
Mit diesem Slogan wird das zweifelhafte Reformwerk immer
noch verteidigt. Doch wie in den obigen sieben Punkten
erläutert, hat die Halbierung der Arbeitslosenzahlen
seit dem Rekordhoch 2005 unter Kanzler Schröder ganz
andere Ursachen.
Es ist eine Unverschämtheit, die Halbierung
ausgerechnet der Agenda 2010 zuzuschreiben, wo sie
insgesamt betrachtet negative Auswirkungen
hatte.
Man
muss ganz einfach an die Ursache des Übels herangehen -
also den globalen Lohndumpingwettbewerb ausschalten.
Dazu bedarf es nur der Anhebung der Zölle oder aber der
Mehrwertsteuer.
Schon
Bismarck hat seinerzeit die fatalen Folgen des globalen
Freihandels erkannt und Zölle wieder
angehoben.
8.
Die Agenda 2010 und der Mindestlohn sind der totale
Widerspruch
Erst
hat man durch die Agenda 2010 den Druck auf die Arbeitslosen stark
erhöht, so dass zwangsläufig sich die
Lohnabwärtsspirale munter weiterdreht, und dann versucht man
diesen politisch herbeigeführten Abwärtstrend wieder durch
Mindestlöhne zu korrigieren. Widersprüchlicher und konfuser
geht's kaum noch!
Die etwas bessergestellten Arbeitslosen sitzen nun vollkommen in der Falle: Um ihren Besitz (z. B. Eigentumswohnung) zu erhalten, müssen sie unbedingt eine Arbeit annehmen - aber bei zu hohen Mindestlöhnen gehen viele der in Frage kommenden Arbeitsplätze verloren bzw. werden hereinströmende Zuwanderer vergeben. Für den Alg-II-Bezieher, vor allem wenn er schon etwas älter ist und seinen Leistungszenit überschritten hat, bestehen dann kaum noch Chancen, erspartes Vermögen durch ein neues Arbeitsverhältnis zu erhalten.
9.
Hartz IV hat das Problem der fehlenden Arbeitsplätze nicht
gelöst!
Von
Anfang an war klar, dass die Agenda 2010 keine Arbeitsplätze
schafft, sondern eben nur den Druck auf die Erwerbslosen erhöht.
Schon die Zielrichtung war also von vornherein fragwürdig.
Anstatt Arbeit zu schaffen durch die Abnabelung vom globalen
Lohndumping (z. B. durch eine
Lohnkostenreform
oder
Zollanhebungen) hat man einfach den allgemeinen Arbeits- und
Leistungsdruck in der Bevölkerung erhöht. Meine
persönliche Meinung: Dümmer und hinterhältiger geht's
kaum noch!
10.
Breite Verunsicherungen in der
Bevölkerung
Die
Agenda 2010 hat es geschafft, den Wohlfühlfaktor in unserer
Bevölkerung weiter herunterzudrücken. Niemand kann heute
mehr sicher sein vor seinem gesellschaftlichen Absturz, jeder lebt
auf einem Pulverfass. Bei Jobverlust droht das totale Chaos. Auch
wer noch so viel in seine Ausbildung investiert hat muss damit
rechnen, sich schon bald als Hilfs- oder Leiharbeiter anbiedern zu
müssen.
Dieser
ständige Druck, der nunmehr auf der gesamten Bevölkerung
lastet, ist natürlich das pure Gift für den Staat und die
Volkswirtschaft. Wer keine gesicherte Zukunft hat, wagt und
investiert weniger. Darunter leiden die Familienplanung (weniger
feste Bindungen, weniger Kinder), die berufliche Ausbildung, die
Investition in langfristige Güter (Wohnungseigentum) usw..
Wer meint, dieses Problem auf Dauer über eine hochriskante
Billiggeldschwemme (die die Gesetze der Vernunft und Moral
völlig auf den Kopf stellen) lösen zu können, wird
noch sein blaues Wunder erleben.
Exkanzler Schröder wurde von den Medien für seine Agenda 2010 weitgehend mit Lob überschüttet: "Er sei sehr mutig gewesen", "er habe staatspolitisch und nicht parteipolitisch gehandelt" hieß es immer wieder.
Aber
war die ganze Aktion wirklich so mutig? War nicht das Durchfechten
der
Lohnkostenreform von
Angela Merkel gegen die geballte Medienmacht viel mutiger (es
hätte ihr beinahe den Wahlsieg gekostet).
Die Frage stellt sich auch, wie sehr sich Schröder wirklich
seiner Partei verpflichtet fühlte. Kann es vielleicht sein, dass
sein persönliches Erscheinungsbild, die Lobpreisungen der
Medien, ihm mehr bedeuteten als das Ansehen der SPD?
Der
uralte Verschleierungstrick:
Man packe so viele Vorhaben in ein Reformwerk, bis eine sachkundige
Beurteilung kaum mehr möglich ist.
Was
hat man nicht alles in das Agenda-2010-Reformpaket
hineingefercht!
Da wurden Lohn-, Einkommens- und Unternehmenssteuern gesenkt, die
Handwerksordnung aufgeweicht, der Kündigungsschutz gelockert,
Bildungsausgaben erhöht, Ganztagsschulen gefördert, der
Bezug des Arbeitslosengeldes gekürzt, der Vermögensschutz
bei Arbeitslosen weitgehend aufgehoben, die Zumutbarkeitsregeln bei
der Arbeitsuche verschärft, Krankenkassenleistungen gestrichen,
eine Praxisgebühr eingeführt, die Renten gekürzt, die
Betreuung von Kleinkindern noch weiter subventioniert, Ich-Ag's
eingeführt, Sozialhilfe und Arbeitslose in einen Topf geworfen
und vieles mehr.
Bei
einem derart großen, unübersichtlichen
Maßnahmenkatalog ist eine neutrale Bewertung natürlich
kaum möglich. Mit diesen verwirrenden Aktionen kann man
Kritiker schön austricksen und mundtot machen. Denn gegen
Steuersenkungen zum Beispiel wird sich niemand auflehnen. Es fragt
sich bloß, was die Steuersenkungen in der Agenda 2010
überhaupt zu suchen haben.
Steuersenkungen hat es häufig gegeben, auch ohne Agenda - und
nun werden sie als Feigenblatt missbraucht. Auch die anderen positiv
wirkenden Aspekte sind keine Neuerfindung, sondern steter Trend. Eine
Förderung der Familien- und Bildungspolitik wird seit einem
Jahrhundert betrieben - sie dem Agenda-2010-Vorhaben einzuverleiben
ist schamlos.
Wer
ein Reformwerk mit einem Wust von Vorhaben überfrachtet und
verunstaltet, handelt meines Erachtens unaufrichtig und
unprofessionell.
Das
Problem bei einem solchen Reformwirrwarr ist doch, dass im Falle
eines Erfolgs niemand mehr sagen kann, was denn nun im Einzelnen
geholfen hat.
Einem Arzt würde es auch nicht einfallen, seine Patienten mit
einem Sammelsurium von Tabletten vollzustopfen in der Hoffnung, es
werde schon die richtige dabei sein.
Wichtig
sowohl bei Krankheit als auch bei Staatsproblemen ist eine
fachgerechte Diagnose mit einer anschließenden gezielten
Therapie. Dann kann man genau sehen, ob diese Therapie angeschlagen
hat oder nicht.
Ein undurchschaubares Maßnahmenpaket bringt einen dagegen
keinen Schritt weiter, daraus können weder Lehren noch
Rückschlüsse gezogen werden.
Nachtrag
Februar 2012:
In der Talkshow bei Anne Will vom 15. 2. 2012 urteilte Heiner
Geißler, die Agenda 2010 sei einer der größten Flops
gewesen. Man dürfe diese Reform nicht länger
instrumentalisieren und ihr positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt
andichten.
Genau wie ich sieht Geißler Hartz IV hauptsächlich als
staatlich organisierte Missachtung der Lebensleistung vieler
Menschen. Wer sich in einem langen, harten Arbeitsleben etwas
zusammengespart hat, wird abkassiert (falls er zum Beispiel für
längere Zeit in die Arbeitslosigkeit rutscht).
Durch
Hartz IV wird der mustergültige Arbeitnehmer im Falle
der Langzeitarbeitslosigkeit schlechter gestellt als der
ewige Sozialschmarotzer.
Diese schreiende Ungerechtigkeit bildet den Kern der Agenda
2010.
Eine herzliche Bitte: Sollte Ihnen dieser Artikel (https://www.globalisierung.com.de/agenda-2010/agenda-2010.html) gefallen haben, empfehlen Sie ihn bitte weiter. Denn nur die allgemeine Aufklärung der Bevölkerung ebnet den Weg für notwendige Veränderungen. Es dankt Ihnen Manfred J. Müller
Anmerkung:
Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im
Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen
Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und
Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.
Bücher
von Manfred J. Müller
Ist
eine Demokratie zu schwach, den Bürgern reinen Wein
einzuschenken?
Eine
staatliche, gehirnwäscheartige Dauerpropaganda wird immer wieder
eingesetzt, um konzernfreundliche, radikale Ideologien durchzusetzen
(z. B. die Zollächtung = Inthronisierung des globalen
Dumpingwettbewerbs). Wenn es aber um ein wirklich notwendiges
Umdenken geht (Erhöhung der Mineralölsteuer,
Einführung einer Kerosinsteuer, Verdoppelung der Lkw-Maut,
Aufgabe des gescheiterten Schengener Null-Grenzen-Experiments etc.),
meint man, die Bevölkerung nicht mitnehmen zu können. Denn
das könnte ja Wählerstimmen kosten.
"Welchen Wert haben Debatten über die wirtschaftlichen Probleme Deutschlands, wenn das herausragende Phänomen der sinkenden Reallöhne bei steigender Produktivität einfach ignoriert wird?"
Erstveröffentlichung
Januar 2010
Nachtrag
Januar 2015: Auch nach 10 Jahren Agenda 2010 hat obige Analyse nichts
von ihrer Aktualität eingebüßt.
Startseite
www.globalisierung.com.de
Impressum
© Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser
Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher).